Martin Stirnweiß

Siehe auch: Hauptseite, Anschreiben, Petition zur Abschaffung des Weisungsrechts der Justizministerien gegenüber Staatsanwälten

Einleitung

Im Jahr 2010 gründete ich ein Unternehmen, das im Bereich der Auftragsvermittlung sowie der Erbringung von Sekretariatsdienstleistungen für Handwerksbetriebe tätig war. Der Mandantenkreis bestand überwiegend aus Einzelunternehmern mit Wohnsitz in Ungarn sowie aus kleinen Handwerksunternehmen mit Sitz in Deutschland, die bis zu 40 festangestellte Mitarbeiter beschäftigten.

Die Staatsanwaltschaft Augsburg führte unter Einbindung des Zolls sowie der Deutschen Rentenversicherung ein siebenjähriges Strafverfahren gegen meine Person. Gegenstand des Verfahrens war der Verdacht auf Verstoß gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz und § 266a StGB (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt) in 1.188 Fällen bei einem behaupteten Schaden von 10 Millionen Euro. Meine Mandanten seien alle scheinselbständig und ich sei ein krimineller Verleiher.

Im Zuge der Ermittlungen wurden meine Ehefrau und ich für einen Zeitraum von über zehn Monaten in Untersuchungshaft genommen; unsere minderjährigen Kinder wurden einer Pflegefamilie zugeführt. Ebenfalls inhaftiert wurde eine bei mir beschäftigte Sekretärin. Parallel initiierte die Staatsanwaltschaft Ermittlungsverfahren gegen circa 200 inhabergeführte deutsche Handwerksbetriebe. Das gesamte Verfahren wurde als Berichtssache an die Generalstaatsanwaltschaft München geführt.

Nach Durchführung von 89 Verhandlungstagen im Zeitraum 2019 bis 2022 vor dem Landgericht Augsburg wurde das Strafverfahren eingestellt. Die Kosten des Verfahrens wurden der Staatskasse auferlegt.

Im Verlauf des Verfahrens stellte sich heraus, dass die ermittelnden Beamten die gegen meine Person erhobenen Vorwürfe konstruiert und den eindeutigen Entlastungsbeweis zurückgehalten hatten: Die Deutsche Rentenversicherung hatte bereits vor Einleitung der Ermittlungen festgestellt, dass die von mir ausgeübte Tätigkeit rechtlich zulässig ist und die hierbei geprüften Handwerker als selbständig eingestuft. Das entsprechende Gutachten sowie die darauf basierenden Einstellungen der von der Staatsanwaltschaft Tübingen gegen mich geführten Ermittlungsverfahren hinsichtlich desselben Tatvorwurfs wurden dem Gericht durch den leitenden Ermittler in Absprache mit der Staatsanwaltschaft Augsburg vorenthalten.

Hinzu kommt, dass seitens der Staatsanwaltschaft die Weisung erging, dass sich die Sachverständigen der Deutschen Rentenversicherung an einem sogenannten „Leitgutachten“ zu orientieren hatten. Diese Vorgehensweise geht auf ein Schreiben der Generalzolldirektion zurück, die angeregt hatte, die Prüfungen auf Scheinselbständigkeit meiner Mandanten lediglich vorzutäuschen. Der mit der Erstellung des Leitgutachtens betraute Sachverständige der Deutschen Rentenversicherung verfolgte hierbei ausdrücklich die Absicht, „die Statusfeststellung bezüglich einer abhängigen Beschäftigung zu bestärken“. Auf diese Weise wurden abweichende Rechtsauffassungen, welche "das Ermittlungsverfahren insgesamt gefährden könnte[n]", systematisch ausgeschlossen.

Der Zoll führte die Ermittlungen vorsätzlich parteiisch, unter anderem wurden die Vernehmungsbeamten angewiesen, einen Fragebogen zu verwenden, in dem die für die Erhärtung der Vorwürfe erforderlichen Antworten bereits vorgegeben waren.

Drei Personen wurden für etwa 900 Tage in Untersuchungshaft genommen, zusätzlich wurden mehrere dutzend Personen strafrechtlich verfolgt, zu Zahlungen an die Rentenversicherungsträger genötigt und strafrechtlich verurteilt, obwohl es für sämtliche erhobenen Vorwürfe an der nötigen Rechtsgrundlage fehlte. Auf diese Weise bereicherte sich die Deutsche Rentenversicherung an inhabergeführten deutschen Handwerksunternehmen um Millionen.

Bei der Entscheidung über die Haft hatten die entscheidenden Richter Kenntnis von der fehlende Rechtsgrundlage.

Bei der Entscheidung über die Fortsetzung der Haft, die Annahme der Anklage und die Eröffnung der Hauptverhandlung war den entscheidenden Richtern zusätzlich bekannt, dass abweichende Rechtsmeinungen systematisch mithilfe des Leitgutachtens ausgeschlossen worden waren.

Bei der Entscheidung über die Ablehnung eines Antrags auf Aufhebung des Haftbefehls war zusätzlich bekannt, dass die Staatsanwaltschaft in Absprache mit dem leitenden Ermittler den eindeutigen Entlastungsbeweis zurückgehalten hatte.

Bei der gerichtlichen Vernehmung des Sachverständigen der Deutschen Rentenversicherung Bund, Herrn Maik Lauer, stellte sich heraus, dass dieser sich als im Lager der angeblich geschädigten Deutschen Rentenversicherung stehen sieht. In Bezug auf die von ihm zu prüfenden Personen, also die Auftragnehmer, gab er an: "Für uns sind das Arbeitnehmer". RA Grimm: "Wer sind uns? Wer sind wir?" SV Lauer: "Die Deutsche Rentenversicherung!". Wir stellten daraufhin einen Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit und begründeten diesen damit, dass Herr Lauer sich als im Lager der DRV stehen sieht. Die entscheidenden Richter lehnten diesen Antrag ab, da "die Durchführung der Hauptverhandlung keinen Aufschub dulde".

Dieses Argument vermag jedoch den Befangenheitsvorwurf nicht sachlich zu entkräften, da die Frage der Befangenheit ausschließlich auf der Unparteilichkeit des Sachverständigen beruht und unabhängig von Verfahrensabläufen zu beurteilen ist. Es handelt sich um ein Argument der Logik, "Weil nicht sein kann, was nicht sein darf": Der Umstand, dass die Besorgnis der Befangenheit gegen Herrn Lauer begründet war, hätte dessen Feststellungen zu 17 inhabergeführten deutschen Handwerksunternehmen in 511 zu prüfenden Fällen nichtig werden lassen und die auf Grundlage dieser Feststellungen erfolgten sozial- und strafrechtlichen Verfolgungen von 17 Auftraggebern wäre hinfällig geworden. Das durfte nicht sein und dies war wohl der eigentliche Grund, weshalb der Antrag auf Besorgnis der Befangenheit abgelehnt wurde. Offensichtlich überwogen hier übergeordnete Verfolgungsinteressen das Gebot von Unparteilichkeit und richterlichem Amtseid. Die Ablehnung des Befangenheitsantrags unter Heranziehung der Hauptverhandlungsdringlichkeit stellt eine unzutreffende Ermessensausübung dar. Die Entscheidung dürfte daher strafbar nach § 339 StGB Rechtsbeugung sein.

Auf dieser Grundlage wurden die Verantwortlichen von rund 200 inhabergeführten Handwerksbetrieben straf- und sozialrechtlich verfolgt und zum Teil verurteilt – obwohl die erforderliche rechtliche Grundlage weder geprüft noch gegeben war. Zahlreiche Betroffene wurden zu Zahlungen in Millionenhöhe an die Deutsche Rentenversicherung verpflichtet. Diese Gelder wurden vielfach nicht den Handwerkern als Rentenbeiträge gutgeschrieben, insbesondere dann, wenn für sie noch kein Rentenversicherungskonto bestand – was in der Mehrzahl der Fälle zutraf. Bis heute ist ungeklärt, wie diese Beträge tatsächlich verbucht und verwendet wurden.

Nach dem Verfahren informierte ich alle Abgeordneten des bayerischen Landtags. Die Vorsitzende des Bayerischen Verfassungsausschuss, Frau Petra Guttenberger, reichte mein Schreiben sogar eigenmächtig als Petition ein.

Daraufhin gab die Bayerische Staatsregierung eine Stellungnahme zu dieser Petition ab. In dieser stellte sie klar, dass eine Aufklärung der von mir erhobenen Vorwürfe nicht stattfinden werde. Sie sah keinen Anfangsverdacht und hatte deshalb die Aufklärung an die an den beanstandeten Handlungen beteiligten Behörden selbst übertragen.

Die Übertragung der Aufklärung strafbarer Handlungen an diejenige Staatsanwaltschaft, die selbst an diesen Handlungen beteiligt war, führt dazu, dass eine Aufklärung unterbleibt. Dies ist auch der Bayerischen Staatsregierung bekannt. Aus diesem Grund ist es üblich, eine andere Staatsanwaltschaft mit der Aufklärung zu beauftragen. Die unübliche Übertragung an die Beschuldigten ist somit als versteckte Anweisung zu qualifizieren, die Aufklärung der von mir erhobenen Vorwürfe zu unterlassen.

Entsprechend der Anweisung der Bayerischen Staatsregierung stellten sowohl die beteiligten Staatsanwaltschaften als auch der Verfassungsausschuss unter der Leitung von Frau Petra Guttenberger die Aufklärung der von mir erhobenen Vorwürfe ein.

Nach meiner Wahrnehmung und den während der insgesamt 89 Verhandlungstage gewonnenen Eindrücken ist davon auszugehen, dass der seinerzeit mit den Ermittlungen und Anklageerhebungen betraute Staatsanwalt, Herr Dr. Wiesner, nicht ohne Rückendeckung bzw. ohne entsprechende Weisungen gehandelt hat.

Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass Dr. Wiesner nachweislich Kenntnis davon hatte, dass dem zuständigen Haftrichter entlastendes Beweismaterial vorenthalten wurde. Weiterhin war ihm bekannt, dass die Anordnung der Untersuchungshaft in mehrfacher Hinsicht rechtlich nicht tragfähig war. So lag weder eine Verdunkelungsgefahr vor – sämtliche relevanten Beweismittel befanden sich bereits seit über einem Jahr in behördlichem Gewahrsam; zudem waren umfangreiche Telekommunikationsüberwachungen von mehr als 24.000 Gesprächen sowie der Einsatz eines verdeckten Ermittlers erfolgt – noch bestand eine Fluchtgefahr, da eine enge persönliche und wirtschaftliche Bindung an den Wohnsitz (Eigenheim, schulpflichtige Kinder, kein Vermögen und kein Fahrzeug mehr vorhanden) gegeben war. Eine Wiederholungsgefahr wurde nicht geltend gemacht.

Des Weiteren war Dr. Wiesner bewusst, dass auf der Grundlage von lediglich 31 Zeilen keine tragfähige Feststellung zur angeblichen Scheinselbständigkeit von 69 Monteuren hätte erfolgen können. Darüber hinaus mangelte es an der erforderlichen Rechtsgrundlage. Es wäre Dr. Wiesners verfahrensrechtliche Pflicht gewesen, zunächst die grundsätzliche Anwendbarkeit des deutschen Sozialversicherungsrechts zu prüfen. Dies ist nicht geschehen, eine Verfolgung Unschuldiger wurde hierdurch mindestens billigend in Kauf genommen.

Da es sich um ein als „Berichtssache“ geführtes Verfahren an die Generalstaatsanwaltschaft München handelte, liegt die Annahme nahe, dass das Vorgehen primär politisch motiviert und nicht ausschließlich von rechtlichen Erwägungen getragen war. Vor diesem Hintergrund erscheint es wahrscheinlich, dass auch die nachfolgenden Bemühungen um eine Aufklärung durch dieselben politischen Einflusskreise unterbunden wurden, die bereits an der ursprünglichen Einleitung des Verfahrens beteiligt gewesen sein dürften. Ziel dieser Einflussnahme dürfte es sein, eine Offenlegung der eigenen Mitverantwortung zu vermeiden.

Siehe auch: Beteiligte Beamte, Frau Petra Guttenberger, Herr Martin Stock

Herr Rechtsanwalt Martin Stirnweiß, Fachanwalt für Strafrecht, war neben Herrn Albrecht Grimm, Herrn Matthias Sigmund, Herrn Sebastian Siepmann, Frau Lisanne Bühler und Frau Melanie Freiin von Neubeck im hier gegenständlichen Verfahren als Strafverteidiger mandatiert. Die hohe Anzahl an Verteidigern resultierte aus gerichtlichen Beschlüssen: Aufgrund der zu erwartenden Länge des Verfahrens wollte die Kammer einem Hemmnis durch Ausfall eines Verteidigers entgegenwirken.

Kontaktaufnahme zu Herrn Stirnweiß

In Folge einer durch die Staatsanwaltschaft Augsburg unter Mitwirkung der Zollbehörden Anfang des Jahres 2016 durchgeführten Durchsuchung der privaten und geschäftlichen Räumlichkeiten meiner Person erfolgte die Kontaktaufnahme zu Herrn Stirnweiß. Diesen hatte ich zuvor bei einem von ihm gehaltenen Vortrag über Anwendung und Wirksamkeit von Untersuchungshaft in Deutschland als interessanten Redner kennengelernt. Herr Stirnweiß übernahm das Mandat und nahm Kontakt zur Augsburger Staatsanwaltschaft und dem leitenden Ermittler auf, Herrn Axel Schur.

Verteidigung vor dem gerichtlichen Verfahren

Beschlagnahme und Zugriffserschwerung auf betriebsnotwendige Unterlagen

Im Rahmen der Durchsuchungsmaßnahmen wurden durch den Zoll auch Unterlagen beschlagnahmt, die zur Fortführung des laufenden Geschäftsbetriebs der Unternehmensberatung sowie zur fristgerechten Erstellung von Steuererklärungen für 171 Mandanten für die Jahre 2014 und 2015 erforderlich gewesen wären. Die Herausgabe der für steuerliche Zwecke essenziellen Dokumente wurde verweigert. Durch das Einschreiten von Herrn Stirnweiß wurde es jedoch ermöglicht, die betreffenden Unterlagen im Wege der Akteneinsicht einzusehen und Kopien zu fertigen.

Im Zuge dessen wurde ersichtlich, dass die beschlagnahmten Dokumente (über 1.000 Leitz-Ordner) zunächst in einer im Erdgeschoss befindlichen Garage in Umzugskartons und unmittelbar auf dem Zementboden gelagert wurden. Infolge der gegebenen Luftfeuchtigkeit kam es zu einer Beeinträchtigung des Aktenzustands durch Papieraufweichung. Darüber hinaus waren sechs Leitz-Ordner, die ausnahmslos Unterlagen zu Krankenversicherungen der Mandanten enthielten, nicht mehr auffindbar. Diese Unterlagen hatten unmittelbare Relevanz im Hinblick auf die sozialversicherungsrechtliche Bewertung.

Jeder Kopiervorgang hatte in den Räumlichkeiten der FKS Lindau stattzufinden. Die nötigen Fahrten nahmen etwa fünf Stunden in Anspruch. Für die vollständige Kopierung sämtlicher Unterlagen waren circa 20 Arbeitstage erforderlich.

Lagerung der beschlagnahmten Unterlagen im Ausland

Im Folgenden wurden die beschlagnahmten Akten durch den Zoll nach Hörbranz (Österreich) und damit ins Ausland verbracht.

Sichtung der Beweismittel durch Herrn Stirnweiß

Im Anschluss an die am 12.10.2017 erfolgte Inhaftierung meiner Person unternahm Herr Stirnweiß mehrfach Fahrten nach Österreich, um die dort lagernden Beweismittel einzusehen.

Verteidigungstätigkeit im Gerichtsverfahren

Befragungen durch die Kammer

Von staatlicher Seite wurde der Großteil der Befragungen durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Peter Grünes geführt. Herrn Grünes Befragungstechnik zielte darauf ab, den Zeugen unauffällig Aussagen in den Mund zu legen, die diese eigentlich nicht getätigt hatten. Erleichtert wurde diese Technik durch den Umstand, dass in den meisten Fällen ein Dolmetscher zur Übersetzung nötig war.

Die Vorgehensweise und Absicht des Vorsitzenden flog auf, als der Vorsitzende die Befragung versuchsweise durch die Beisitzende Richterin Frau Ostermeier durchführen ließ:

Am 10.08.2021 wurde unser Mandant, Herr [geschwärzt], gerichtlich vernommen. Zunächst berichtete er, wie die Beziehung zwischen ihm und seinem Auftraggeber gelebt wurde. Hierbei gab er an, dass er seinen Urlaub mit dem Bauleiter absprach. Er gab weiterhin an, dass er vom Bauleiter manchmal gebeten wurde, ob er seine Urlaubsplanung anders gestalten könne. Er, der Auftragnehmer, habe dann geschaut, ob er das könne, und wenn er das konnte, dann sei er auf die Bitte des Bauleiters eingegangen. Wenn er das aber nicht konnte, dann habe der Bauleiter das Nachsehen gehabt.

Sodann wurde mit der Befragung fortgefahren.

Im weiteren Verlauf stellte Frau Ostermeier schließlich die Frage, ob unser Mandant, wenn er früher von der Baustelle ging als üblich oder wenn er eine Pause machte, dies das dann auch mit dem Bauleiter absprechen musste?

Daraufhin stellte ich die Frage, wie die Richterin darauf käme, dass er das auch musste? Mir war nicht klar, was er denn zuvor gemusst haben solle, also woher das Wörtchen auch kommt?

Der Vorsitzende Richter am Landgericht Peter Grünes und die Richterin Melanie Ostermeier erklärten daraufhin gemeinsam: Daraus, dass der Monteur seinen Urlaub mit dem Bauleiter abgesprochen hatte, sei zu folgern, dass er dies getan habe, weil er das gemusst habe (Also dass er wie ein Arbeitnehmer verpflichtet war, seinen Urlaub anzumelden.).

Und nun bestehe daher aus Sicht der Kammer die Frage, ob er es auch habe absprechen müssen, wenn er früher als sonst die Baustelle verlassen habe...

Aus der Tatsache, dass der Bauleiter sich der Planung des Monteurs anpassen musste, folgt zum Einen, dass der Monteur in seinen Entscheidungen frei war und zum Anderen, dass der Auftraggeber sich in einer schwächeren Verhandlungsposition befand.. Dies deutet auf ein Abhängigkeitsgefälle zugunsten des Auftragnehmers hin.

Scheinselbständigkeit liegt immer genau dann vor (und nur dann), wenn sich ein Auftragnehmer in persönlicher Abhängigkeit zum Auftraggeber befindet. Um festzustellen, ob persönliche Abhängigkeit vorliegt, werden u.a die Merkmale Weisungsgebundenheit gegenüber dem Auftraggeber hinsichtlich Art, Zeit, Ort und Dauer der Tätigkeit geprüft. Eine Pflicht zur Anwesenheit nach Maßgabe des Auftraggebers und eine Genehmigungspflicht von Urlaubszeiten durch den Auftraggeber betreffen die Merkmale Zeit und Dauer.

In Bezug auf die zu prüfende persönliche Abhängigkeit deutete die Tatsache, dass der Bauleiter es hinnehmen musste, wenn der Auftragnehmer seinen Urlaub nicht verschob, auf ein Abhängigkeitsgefälle zugunsten des Auftragnehmers hin, was gegen das Vorliegen persönlicher Abhängigkeit spricht und somit gegen Scheinselbständigkeit und auch gegen den meiner Person zur Last gelegten Vorwurf der Hinterziehung und Veruntreuung von Sozialabgaben.

Vorsätzliche Missinterpretation von Zeugenangaben und Verletzung des Neutralitätsgebots durch die Richter des Augsburger Landgerichts

Die Behauptung, dass aus der Angabe, dass ein Auftragnehmer seinen Urlaub mit dem Bauleiter abgesprochen habe, zu folgern sei, dass hierzu eine Pflicht bestanden habe, ist offensichtlich falsch. Die Richter der Kammer, Herr Grünes, Frau Ostermeier und Herr Bauer, wussten dies aufgrund ihrer Qualifikation. Die Missinterpretation erfolgt somit vorsätzlich und fiel parteiisch zu Lasten meiner Person aus.

Nach der Rechtsprechung des BVerfG hat der Bürger vor Gericht einen Anspruch darauf, dass der über sein Anliegen urteilende Richter gegenüber den Verfahrensbeteiligten neutral agiert und eine gleiche Distanz gegenüber allen Verfahrensbeteiligten wahrt (BVerfG; Beschluss v. 24.12.2006, 2 BvR 958/06) (Quelle: https://www.haufe.de/recht/weitere-rechtsgebiete/prozessrecht/erfolgreicher-befangenheitsantrag/kein-leichter-weg_206_155456.html)

Aus dem Urteil:

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG darüber hinaus auch einen materiellen Gewährleistungsgehalt. Die Verfassungsnorm garantiert, dass der Rechtsuchende im Einzelfall vor einem Richter steht, der unabhängig und unparteilich ist und der die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet (vgl. BVerfGE 10, 200 <213 f.>; 21, 139 <145 f.>; 30, 149 <153>; 40, 268 <271>; 82, 286 <298>; 89, 28 <36>). (Rn. 11) Der Gesetzgeber hat deshalb in materieller Hinsicht Vorsorge dafür zu treffen, dass die Richterbank im Einzelfall nicht mit Richtern besetzt ist, die dem zur Entscheidung anstehenden Streitfall nicht mit der erforderlichen professionellen Distanz eines Unbeteiligten und Neutralen gegenüberstehen. (Beginn von Rn. 12)

Nach dem Deutschen Richtergesetz (§ 38 DRiG) hat ein Richter öffentlich zu schwören, sein Amt "getreu dem Gesetz auszuüben, nach bestem Wissen und Gewissen ohne Ansehen der Person zu urteilen und nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen".

Somit darf keine Partei durch staatliche Einflussnahme bevorzugt oder benachteiligt werden. Dennoch interpretierten die genannten Richter die Aussage meines Mandanten vorsätzlich falsch und parteilich zuungunsten meiner Person. Damit haben die genannten Richter wohl gegen das Neutralitätsgebot verstoßen.

Irreführende Verwendung des Wortes "auch"

Das Wort „auch“ ist im Deutschen ein äußerst vielseitiges Wort, das in unterschiedlichen Funktionen eingesetzt werden kann. Im Sinne von „ebenfalls“, „gleichfalls“ dient es dazu, auszudrücken, dass eine Aussage auf mehrere Personen/Sachen zutrifft. Beispiel: „Lisa kommt auch zur Party.“.  "Auch" kann verstärkend, betonend und einschränkend werden: „Ich gehe spazieren, auch wenn es regnet.“. Im Sinne einer Aufzählung / Hinzufügung: „Ich esse gern Obst, auch Bananen.“. Als Ausdruck von Zweifel, Überraschung oder zur Bekräftigung: „Auch das noch!“ oder in Redewendungen: „Auch sonst alles in Ordnung?“; „Nun hör aber auch mal auf.“. In gesprochener Sprache wird es oft beiläufig und ohne Bezug auf etwas zuvor gesagtes verwendet. Ob sich das Wort "auch" auf etwas zuvor gesagtes bezieht, oder nur als Übergangswort verwendet wird, ergibt sich aus Kontext und Betonung.

Im vorliegenden Fall wurde durch die Betonung des Wortes "auch" durch die Richterin Ostermeier deutlich, dass sie sich auf etwas zuvor gesagtes bezog. Die durch meine Person gestellte Nachfrage, auf welchen Sachverhalt sich die Richterin beziehe, führte zur Offenbarung der falschen und parteilich zu meinen Lasten ausfallende Missinterpretation von Zeugenaussagen seitens der Kammer.

Dabei ging es nicht nur um den an dieser Stelle vernommenen Mandanten. Denn in vielen Sitzungen zuvor hatte der Vorsitzende Richter Peter Grünes genau dieselben Fragen auf dieselbe Weise gestellt, hierbei jedoch jeweils das Wort "auch" auf eine Weise betont, dass es nicht im Sinne von „ebenfalls“, „gleichfalls" erkennbar war, sondern als inhaltsloses Übergangswort.

Frau Ostermeier hatte offenbar nicht begriffen, dass die falsche Betonung nötig war, um zu verbergen, dass auf diese Weise versucht wird, dem Zeugen im Nachgang Aussagen in den Mund zu legen, die dieser in Wahrheit nicht getätigt hatte. Dieses Verhalten der Kammer kann wohl umgangssprachlich als "das Wort im Mund herumdrehen" bezeichnet werden.

In der anschließend durch Herrn Stirnweiß erfolgten Befragung meines Mandanten stellte dieser klar, dass er nichts gemusst habe. Er sei in seinen Entscheidungen völlig frei gewesen.

Sichtung der beschlagnahmten Beweismittel

Auch während des gerichtlichen Strafverfahrens unternahm Herr Stirnweiß mehrfach Fahrten nach Österreich und zu weiteren involvierten Zolldienststellen, um die dort lagernden Beweismittel einzusehen.

Beweisanträge

Basierend auf den dort gesichteten Beweismitteln stellte Herr Stirnweiß mehr als vierzig Beweisanträge, von denen der überwiegende Teil ohne gerichtliche Bescheidung blieb. Stattdessen unterbreitete die erkennende Kammer ein als einmalig deklariertes Angebot, nach dem das Verfahren im Hinblick auf einen weiterhin unterstellten dringenden Tatverdacht gegen den Unterzeichnenden – nach Abwägung aller Umstände – gemäß § 153a StPO eingestellt werden könne. Die Möglichkeit der Annahme dieses Angebots wurde mit der Einschränkung versehen, dass die Annahme zeitnah zu erfolgen habe.

"[Der Vorsitzende] stellte klar, dass es sich um ein einmaliges Angebot handele, das zeitnah realisiert werden müsse" (Quelle: Vorsitzendenverfügung vom 20.07.2022)
"[Der Vorsitzende] stellte klar, dass es sich um ein einmaliges Angebot handele, das zeitnah realisiert werden müsse" (Quelle: Vorsitzendenverfügung vom 20.07.2022)

Bemerkenswert ist die im Kontext der Einstellung getätigte Äußerung des Vorsitzenden Richters am Landgericht Augsburg, Herrn Peter Grünes, wonach die Sachlage „am Anfang schwarz, dann grau, aus Sicht der Kammer dunkelgrau“ gewesen sei.

Durch diese Äußerung wurde erkennbar, dass insbesondere beim Vorsitzenden aber auch bei den restlichen Mitgliedern der Kammer erhebliche Zweifel an einer strafrechtlich Verantwortlichkeit meiner Person bestanden. Dies steht in Widerspruch zur formalen Annahme eines weiterhin bestehenden hinreichenden Tatverdachts, welcher die unverzichtbare Grundlage einer Einstellung nach § 153a StPO bildet.

Nach vorläufiger rechtlicher Würdigung ist vor dem Hintergrund des § 339 StGB (Rechtsbeugung) zumindest ein Anfangsverdacht zu bejahen.

Fazit

Das letztlich eine strafrechtliche Verurteilung abgewendet werden konnte, ist insbesondere auf den engagierten und fachkundigen Einsatz von Herrn Rechtsanwalt Stirnweiß zurückzuführen.

Hierfür wird Herr Stirnweiß für immer einen besonderen Platz in unseren Herzen haben.